Filmbesprechung aus LERCHENFELD Nr. 20 – Newsletter der HfbK Hamburg

time goes by still1
Philipp Hartmanns Film Die Zeit vergeht wie ein brüllender Löwe beginnt mit einer Abfolge von Schwarzweiß-Bildern, bei denen sich jeweils von links eine weiße Fläche über das Motiv schiebt, so dass es fast verdeckt wird. Es sind Fotos, die entstehen, wenn ein Analogfilm in die Kamera eingelegt wird. Hunderte davon fand Hartmann im Nachlass seines Vaters. Ein Zuviel an Licht, Fotos vor dem eigentlichen Beginn. Das Zufällige und Unbewusste an ihnen erschien wie eine Befreiung, sagt das Filmemacher-Ich aus dem Off. Danach entfaltet sich der Film als eine kaleidoskopartige Betrachtung der Zeit, als die Dimension, in der sich alles bewegt – zwischen wissenschaftlicher Messbarkeit und subjektiver Empfindung. Nahtlos mischen sich Interviews mit Wissenschaftlern und echtes biografisches Material mit fingierten Erinnerungen, die Hartmann von seinem Filmemacher-Kollegen Jan Eichberg drehen ließ. Ein Spiel mit dem Verhältnis von Identität und Zeit, das sich selbst in der Länge des Films äußert: 76,5 Minuten, eine Minute pro Lebensjahr, das Hartmann statistisch zu erwarten hat. Persönlichkeit, Erinnerung und Zeit ergeben so ein durchaus glaubwürdiges Konstrukt.
(Julia Mummenhoff)